Erst Azubi, dann Stammspieler: Nach einer kniffligen Umschulung hat sich der deutsche Footballspieler Björn Werner in der US-Profiliga NFL durchgesetzt. Mit seinen Indianapolis Colts steht der Verteidiger am Wochenende erstmals in den Playoffs.
Es soll durchaus Profisportler geben, die bei Computerspielvarianten ihrer Disziplin penibel überprüfen, dass sie auch adäquat dargestellt werden: dass die Frisur ordentlich sitzt, dass das Kraft spendende Bändchen am richtigen Handgelenk baumelt, vor allem aber, dass die meist in Punkten angegebenen virtuellen Eigenschaften den nach eigenem Dafürhalten realen Fähigkeiten entsprechen - es soll schon wütende Anrufe bei Spieleherstellern gegeben haben.
Der deutsche Footballspieler Björn Werner gehört nicht zu diesen Akteuren. "Wer Erfolg haben will, darf nicht verliebt in sich selbst sein", sagt der Defensivspieler der Indianapolis Colts, "ich habe kurz reingeschaut und mich gefreut, dass ich dabei bin."
Solche Sätze hören sie gerne bei den Colts, einem bodenständigen Klub, der zuletzt vor sieben Jahren die Meisterschaft gewonnen hat. Werner, 23, wurde bei den Berlin Adlern ausgebildet, er besuchte zwei Jahre lang die Florida State University und absolviert gerade seine erste Profisaison in der nordamerikanischen Footballliga NFL. Die Colts wählten Werner in der Sommerpause als ersten deutschen Akteur in der ersten Auswahlrunde und gaben ihm einen Vertrag, durch den er in den kommenden vier Spielzeiten bis zu 7,9 Millionen US-Dollar verdienen kann.
Dieses Gehalt darf durchaus als Zeichen gewertet werden, dass der Verein dem Verteidiger eine glanzvolle Karriere in der umsatzstärksten Sportliga der Welt prognostiziert. Werner ist dabei bei den Colts, am Samstag wird er bei der Playoff-Partie gegen die Kansas City Chiefs auf dem Feld stehen.
Das Gehalt kommt per Post
Es war dennoch eine knifflige Spielzeit für Werner, was nicht etwa an den Aufnahmeritualen ("Ich musste 99 Luftballons singen und den älteren Spielern bei Auswärtspartien Essen besorgen") oder der Übermittlung seines Gehalts per Post lag ("Ich war ganz schön verblüfft, als ich den ersten Umschlag aufgemacht habe").
Er wurde zunächst einmal vom Defensive End zum Outside Linebacker umgeschult, eine nicht gerade einfache Umstellung. Werner konnte dabei zwar vom Kollegen Robert Mathis lernen, einem der besten Spieler auf dieser Position: "Ich bin froh, Mathis jeden Tag dabei zusehen zu dürfen, wie er sein Ding durchzieht und seinen Motor am Laufen hält. Das ist erstaunlich."
Björn Werner saß zu Beginn der Saison aber lange Zeit auf der Bank, weil auf seiner Position eben Mathis spielte. Am vierten Spieltag riss dann eine Sehne in Werners rechtem Fuß, er musste drei Wochen aussetzen. "Die ersten Spiele nach der Verletzung waren dann so lala", sagt er. Das passte zum Gesamtbild des Vereins, die Colts verloren nach Werners Rückkehr drei von sechs Spielen und ließen dabei durchschnittlich mehr als 30 gegnerische Punkte zu. Die Teilnahme an den Playoffs war in Gefahr.
Jedes Spiel ein Endspiel
Von einem so genannten First-Round-Pick wird gemeinhin erwartet, dass er einem Verein sofort helfen kann oder wenigstens Stammspieler wird. Der 1,90 Meter große und 118 Kilogramm schwere Werner indes war zunächst Ersatzmann, dann verletzt und zeigte anschließend durchwachsene Leistungen. Es gab nicht wenige Experten, die vermuteten, dass die in Computerspielen angegebenen Qualitäten (furchtloser und explosiver Athlet mit gutem Auge und herausragenden Reflexen) nicht mit den realen Fähigkeiten übereinstimmen könnten.
Werner kümmerte sich nicht allzu sehr um diese Berichte, er bekam nach und nach mehr Spielzeit, Ende November durfte er zum ersten Mal von Beginn an agieren. Drei Wochen später gegen die Houston Texans begrub er zum ersten Mal in seiner Profikarriere den gegnerischen Quarterback unter sich - an einem Nachmittag, an dem Robert Mathis einen Vereinsrekord in dieser Kategorie aufstellte. "Er hat jetzt 108 Sacks, also brauche ich noch 107, um ihn zu erreichen", sagte Werner danach lapidar.
Auch so einen Satz hören sie gerne bei den Colts, weil er sowohl Selbstvertrauen als auch Demut beinhaltet. "Er glaubt immer mehr an sich selbst, das war in den vergangenen Wochen deutlich zu sehen", sagt sein Trainer Chuck Pagano, "er spielt schnell und körperbetont, so wie wir das gerne tun. Er befindet sich auf dem richtigen Weg und wird von Spiel zu Spiel besser." Die Colts gewannen die letzten drei Partien der Punkterunde, Durchschnitt der Gegner: weniger als sieben Zähler.
Nun beginnt die Ausscheidungsrunde, in der jede Partie die letzte der Saison sein könnte. Mit einer Bilanz von 11:5 Siegen sind die Colts nicht unbedingt Favoriten auf das Erreichen des Endspiels, das am 2. Februar in New York ausgetragen wird. Das sind in der American Football Conference (AFC), in der Indianapolis angesiedelt ist, die Denver Broncos (13:3).
Deren Spielmacher Peyton Manning hat gerade mit seinen Passempfängern Rekorde für den höchsten Raumgewinn mit Pässen (5477 Yards) und die meisten Touchdown-Würfe (55) aufgestellt, der Verein darf in der ersten Playoff-Runde ebenso pausieren wie die New England Patriots (12:4, der deutsche Akteur Sebastian Vollmer fällt mit Beinbruch den Rest der Saison aus) und in der National Football Conference die Seattle Seahawks (13:3) und die Carolina Panthers (12:4).
Das Spiel zwischen den Colts und den Chiefs am Samstag dürfte ein spannendes werden, die beiden Klubs haben jeweils elf Saisonspiele gewonnen, sie liegen in allen bedeutenden Statistiken dicht beieinander, am vorletzten Spieltag der Punkterunde vor zwei Wochen gewann Indianapolis 23:7 gegen Kansas City.
Die Defensive der Colts erzwang dabei vier Ballverluste, Werner riss ein Mal den Chiefs-Quarterback Alex Smith um. "Wir haben nach drei Siegen in Serie das Momentum auf unserer Seite", sagt Robert Mathis, "darauf kommt es an, um in den Playoffs sehr weit zu kommen." Am besten in die Super Bowl Anfang Februar. Dann müsste sich Björn Werner nicht damit beschäftigen, ob er in Computerspielen auch richtig dargestellt wird. Er könnte auf dem realen Spielfeld zeigen, was er drauf hat.
Author: Jessica Woods
Last Updated: 1702952042
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